„Redd de Bahnhoffsbööm“ – Baumbesetzung am Flensburger Bahnhof

Dazu die Stellungnahme der BaumbesetzerInnen:

In der Nacht auf den 1.Oktober 2020 haben wir Bäume im Bahnhofswald erklettert und besetzt. Die mit dem ersten Oktober beginnende Rodungssaison ist – jedenfalls für einen Großteil der Bäume, die dem Hotel- und Parkhausneubau weichen sollen – eine akute Bedrohung. Uns geht es mit unserer Aktion nicht ausschließlich um die zum Teil über 150 Jahre alten Bäume, sondern um eine insgesamt vollkommen verfehlte Verkehrs- und Klimapolitik und eine Stadtentwicklung, die die Interessen der Einwohner*innen und der zukünftigen Generationen ignoriert.

Hiermit solidarisieren wir uns mit den Beschützer*innen des Dannenröder Waldes, in welchem ab heute Bäume auf über 60 Hektar Fläche ihr Leben für die Autobahn 49 lassen sollen.

Mit Plattformen und Transparenten, dicken Schlafsäcken und Kletterseil ausgestattet stellen bzw. hängen wir uns den geplanten Fällungen in den Weg. Wir könnten an dieser Stelle lange Ausführungen zu Ahorn und Linde, zur Hanglage, zu Fledermäusen und zur Quelle auf dem Gebiet zwischen Post, Bahnhof und Schleswiger Straße schreiben. Aber die Argumente sind im Grunde allen bekannt und wer vor dem Areal steht und dort ernsthaft ein potentielles Baugrundstück und nicht ein offenkundig erhaltens- und schützenswertes Biotop mitten in der Stadt sieht, der oder die hat Umwelt- und Klimaschutz nicht verstanden.

Wir halten die krampfhafte Ausrichtung der Stadtpolitik auf Wachstum für falsch. Dass dabei vielerorts die Interessen der aktuellen Bewohner*innen Flensburgs auf der Strecke bleiben, sehen wir nicht nur neben der Post. Obwohl es einen Mangel an Fußballplätzen gibt, wurde der Fußballplatz des VfB Nordmark abgerissen, Bäume sollen gefällt und daraus Baugrund gemacht werden. Ein Bauwagenplatz auf dem Handwerker*innen und Künstler*innen leben soll den Bauvorhaben ebenfalls weichen. Die Baubranche Flensburgs hat offensichtlich Vorrang vor unrentablen Projekten, die die Stadt lebenswert und einzigartig machen.

Und auch an weiteren Orten in der Stadt wird es offensichtlich, so sollen auch am Museumsberg Bäume gefällt werden, damit Tourist*innen einen besseren Blick auf die Förde haben. Maßnahmen wie diese, ausgerichtet nicht an den Wünschen der Menschen, die hier leben, sondern an den vermeintlichen Wünschen geldbringender Reisender, sind an Absurdität schwer zu überbieten.

Flensburg braucht nicht mehr Parkplätze, denn der motorisierte Individualverkehr ist – auch elektrisch – kein Zukunftsmodell. Die Fixierung auf den Autoverkehr zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sogar kleinste Verkehrsberuhigungen wie beispielsweise in der Norderstraße nur halbherzig und zögerlich umgesetzt werden. Der dort geplante Poller wird nur außerhalb der Geschäftszeiten den Verkehr regulieren und damit den Autoverkehr tagsüber nicht oder allenfalls wenig reduzieren. Wir brauchen stattdessen eine autofreie Innenstadt und einen ordentlich ausgebauten und kostenlosen ÖPNV.

Und Flensburg braucht auch nicht mehr Tourismus. Es war diesen Sommer wieder spürbar: An warmen Sommertagen sind Innenstadt und Hafenspitze überfüllt. Mehr Hotelbetten machen die Innenstadt nicht größer. Es sollte stattdessen darum gehen, die Schönheit dieser Altstadt vor allem für die Menschen die dort leben zu erhalten statt sie zu optimieren als Gelddruckmaschine. Mehr Tourismus bedeutet auch steigende Quadratmeterpreise und eine aussterbende Innenstadt, weil das Leben dort unbezahlbar wird. Schon jetzt vertreibt die Gentrifizierung beispielsweise kinderreiche Familien und Student*innen-WGs aus der Innenstadt – nicht weil es keine ausreichend großen Wohnungen gäbe, sondern weil die bestehenden zu teuer vermietet werden.

Deshalb: Besetzt die Bäume, ob in Flensburg, im Danni oder Hambi, in Keyenberg, im Teutoburger Wald, im Steigerwald oder in Rumänien, wo die letzten Urwälder gefährdet sind. Bis alle Wälder bleiben!

Kontakt:

rodung@nirgendwo.info

Twitter: @boomdorp

Weitere Informationen:

Zum Flensburger Bahnhofswald: https://bahnhofsviertelflensburg.wordpress.com/
Zur Besetzung im Dannenröder Wald: https://waldstattasphalt.blackblogs.org/
Zum Hambacher Forst auf https://hambacherforst.org/
Zur Besetzung in Keyenberg auf https://unserallerwald.noblogs.org/ bzw https://twitter.com/UnserAllerWald
Zum Teutoburger Wald auf https://www.pro-teuto.de/
Zum Steigerwald auf https://twitter.com/keinhektarmehr
Zu Rumänien: https://www.robinwood.de/pressemitteilungen/protest-gegen-zerstörung-rumänischer-urwälder-für-stromtrasse

Open Letter to Mr. Ji Qi and Mme. Jenny Zhang, Huazhu Group

Dr. Thomas Gädeke Schleswiger Str. 29 24941 Flensburg

Mme. Jenny Zhang, Huazhu Group

No. 2266 Hongqiao Road, Changning District, Shanghai CHINA

March 4, 2020

Regarding a planned IntercityHotel in Flensburg, Germany

(Steigenberger Hotels / German Hospitality)

Dear Mr. Ji Qi, dear Mme.Jenny Zhang,

As the new owners of the Steigenberger Holding I like to let you know that the recently planned Steigenberger Intercity Hotel (to be erected by the Jara Immobilien in Flensburg) has caused intensive discussions among the citizen of Flensburg.

You may read about the objections against the execution of the hotel project in the net: https://www.bob-sh.de/verfahren/21b183b5-9c88-11e9-94be-00505697774f/public/detail. Factually, the hotel cannot be built without a multistorey car park aside. This car park will cause damage to many trees and a sophisticate nature system. Many people and experts in Flensburg are upset about these plans and will connect the name „Steigenberger“ to this damage of nature and will give the name “Steigenberger” a negative image.

Commercially, the hotel your Group wishes to set up will face stiff competition: two hotels are nearby and one new budget hotel will start operating in 2020 approx. 200m away of location planned.

In the near future, the Flensburg railway station will lose its importance for national trains due to a new station to be built on the main track on behalf of German and Denmark Railways From Denmark to Hamburg. Only local short distance trains will call the railway station adjacent to your hotel projected. There is no commercial sense to invest close to the current railway station in my humble opinion. Flensburg visitors would probably prefer hotels and vacation homes (Airbnb or others) north or south of the Flensburg Fjord.

Please consider these points when evaluating the situation.

Please nominate a contact person to discuss further details whenever convenient.

Sincerely yours

(gez) Dr. Thomas Gädeke

tgadeke@gmail.com or bahnhofsviertelflensburg@gmail.com