Dort allerdings sind durch diese illegale Rodung keine Menschenleben in Gefahr gebracht worden. Das ist hier in Flensburg anders. Auch die Rodungsaktion von JARA Immobilien an der Bahnhofstraße vom 19.2.21 war in vielfacher Hinsicht illegal:
– Sie erfolgte entgegen der ausdrücklichen Erklärung der Stadtverwaltung und unter Missachtung des Gewaltmonopols der Polizei mit Hilfe eines Privaten Sicherheitsdienstes. Das erinnert fatal an Länder mit großem Mafia- oder Oligarchen-Einfluss.
– Sie nahm keinerlei Rücksicht auf die Satzungen der Stadt, so den Bebauungsplan 303 Hauptpost, nach dem es untersagt ist, Bäume mit mehr als 50 cm Stammdurchmesser zwischen dem 1.Februar und dem 30. November zu fällen. Auch 4 solche Bäume wurden gefällt oder angesägt (die Bäume Nr. 117,112, 111 und 101 nach Baumkataster aus dem B-Plan).
– Sie erfolgte mit großer krimineller Energie: im offensichtlichen Bewusstsein der Illegalität und der Erwartung, rasch gestoppt zu werden, wurden die meisten Bäume am Hang der Bahnhofstraße nicht zeitaufwändig gefällt, sondern schnell „geringelt“, also rundherum eingesägt, so dass sie zum Absterben verurteilt und nicht mehr standfest waren. Dadurch wurden in kurzer Zeit bis zum Eingreifen der Polizei sehr viel mehr Bäume vernichtet.
–Die im Auftrag der Investoren handelnden Arbeiter nahmen dabei auch keinerlei Rücksicht auf eine Gefährdung von Menschenleben: sie ließen ein Baumhaus herabstürzen, ohne sich zu vergewissern, dass keine Personen darin waren, und sägten Bäume an, auf denen Menschen in einem Baumhaus saßen. Sie nahmen in Kauf, dass die angesägten Bäume auf die Straße fallen konnten und Passanten erschlagen.
– Die Investoren nahmen billigend in Kauf, dass ihr Vorgehen auf dem Höhepunkt der Pandemie mit hochansteckenden Viren zu einem Super-Spreading-Event führen konnte, was die Stadtverwaltung gerade umgehen wollte. Damit nahmen sie auch billigend in Kauf, dass sich ungezählte – auch völlig unbeteiligte – Menschen mit dem potentiell tödlichen Virus infizieren und schwer erkranken, vielleicht sogar sterben, und weitere anstecken. Anderen Gewerbetreibenden könnten sie dadurch schwere Einbußen auferlegt haben, weil bei weiter steigenden Infektionszahlen die Einschränkungen unnötig lange fortgeführt werden müssen.
– Der von den JARA-Immobilien engagierte Sicherheitsdienst maßte sich Befugnisse der Polizei an, indem er mindestens eine Person mit Kabelbinder fesselte und fortschleppte.
Dieses Vorgehen darf auf keinen Fall Erfolg haben; es wäre sonst eine Ermutigung an weitere Investoren, in ähnlicher Weise den Rechtsstaat zu missachten und die eigenen Interessen mit Gewalt und ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz durchzusetzen. Es wäre der Weg in den Mafia-Staat.
Wenn das Vertrauen der Stadt Neumünster schon bei einfacher illegaler Rodung eines Waldes zerstört ist, können wir uns nicht vorstellen, dass die Stadt nach dieser so viel schlimmeren Aktion noch Vertrauen in die Firma JARA Immobilien hat. Wie soll man glauben, dass man solchen Leuten den Schutz empfindlicher Biotope wie der Quelle und dem artenreichen Steilhang oder den der bedrohten Arten im Bahnhofswald anvertrauen kann, oder dass diese Firma eine ehrliche Prüfung der Hangstabilität durchführen wird, an der das Risiko eines Abrutschens der denkmalgeschützten Häuser an der Schleswiger Straße hängt? Auch dort könnten Menschenleben in Gefahr kommen.
Deshalb fordern wir die Stadt auf, die der Firma JARA Immobilien erteilte Baugenehmigung unverzüglich zurückzuziehen!
Für die Bürgerinitiative Bahnhofsviertel Flensburg: Dr. med. Helmreich Eberlein Günter Strempel Christiane Schmitz-Strempel Thomas Gädecke Klaus von Gadow Franziska von Gadow Claus Kühne
Florian Rostenbeck wendet sich in einem ausführlichen, fünf Seiten langen Brief an die Verwaltungschefin.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Simone Lange, Flensburg, 09.02.2021
ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie noch nachträglich für das neue Jahr alles Gute, viel Gesundheit und Glück und das Sie sich auch 2021 weiterhin für das Wohl der Menschen in Flensburg einsetzen können. Die Pandemie und die neue Virusmutation hat nun auch Flensburg fest im Griff und aus diesem Grund habe ich auch ihre Entscheidung begrüßt, die Umweltaktivistinnen und ~aktivisten in den Baumhäusern am Bahnhofswald nicht durch mehrere Polizeihundertschaften gewaltsam von den Bäumen holen zu lassen und somit die Aktivistinnen als auch Polizistinnen in unmittelbare Gesundheitsgefahr zu bringen. Dies war eine sehr vernünftige Entscheidung von Ihnen und über diese sind Ihnen viele Menschen in dieser Stadt sehr dankbar.
Ich bin 2019 nach Flensburg gezogen, um an der Universität Lehramt zu studieren. Meine Faszination für die Natur möchte ich später einmal an die nächste Generation weitergeben und sie für den Erhalt unserer gemeinsamen Lebensgrundlage motivieren. Letztes Jahr nach dem dritten Dürresommer in Folge ist jedoch meine Angst vor der Zukunft unserer Generation und unserer Kinder immer größer geworden. In Australien brannten die Wälder, in Sibirien taute der Permafrost und der Amazonas stand schon zum zweiten Mal großflächig in Flammen. Aber auch bei uns in Flensburg waren die Folgen des Klimawandels bereits hautnah zu spüren. Große Bäume wie Ahorn und Eichel verloren schon im Juli ihre grünen Blätter, viele Bäche sind einfach ausgetrocknet und der Pegelstand in vielen Flüssen war deutschlandweit besorgniserregend. Viele Bauern sind jetzt nicht nur durch die Tiefstpreise für ihre Lebensmittel, sondern auch noch durch die Trockenheit existenziell bedroht. Die Zahl der Hitzetoten erreichte 2020 auch durch unsere überalterte Bevölkerung ein Rekordniveau. Tiere aus wärmeren Regionen wie die Tigermücke verbreiten sich in Deutschland und stellen als Krankheitsüberträger unser Gesundheitssystem zukünftig vor neue Herausforderungen. Aber auch die Coronakrise hat uns einmal mehr gezeigt, dass Viren durch das immer weitere Vordringen des Menschen in den Lebensraum der Tiere durch Zoonosen auf den Menschen überspringen und in der Folge einen unvorstellbaren Schaden anrichten können. Schon 1972 warnte der Club of Rome vor den Grenzen des Wachstums, doch es brauchte erst die Ereignisse der vergangenen Jahre, damit verbindliche Regelungen zum Klimaschutz auf den Weg gebracht werden konnten. Neben der Klimakrise stehen wir auch vor einem gewaltigen Artensterben, welches uns ebenso existenziell bedrohen wird. Aus diesem Grund finde ich es sehr gut von Ihnen, dass Sie sich auch in der Öffentlichkeit hinter die Klimabewegung stellen und mit dem Klimapakt bereits eine Institution geschaffen haben, damit Flensburg ein Teil der Lösung dieser Herausforderungen werden kann. In Zeiten wie diesen sind eine nachhaltige Stadtentwicklung, klimafreundliche Mobilität und der Erhalt von innerstädtischen Waldflächen mit der darin enthaltenen Artenvielfalt in den Städten der Zukunft von besonderer Bedeutung.
Ich kann mir vorstellen, dass Sie gerade enorm unter Druck stehen. Auf der einen Seite stehen die Investoren, die der Stadt mit hohen Regressforderungen drohen, wenn Sie die Rodung des Bahnhofswaldes nicht noch im Februar anordnen. Auf der anderen Seite sehen Sie auch die große Zahl der Menschen, die sich in den zurückliegenden Monaten und Jahren für den Erhalt des Waldes eingesetzt haben. Schülerinnen und Schüler, Pensionäre, Studierende, Kunsthistoriker, Biologinnen und Professoren, Arbeitsuchende, Lehrkräfte, Ärzte und Psychologen, Pastoren, Informatiker, Buchhändlerinnen und Buchhändler, Familien und ihre Kinder,… . Die aktuelle Pandemielage erschwert es natürlich, dass alle diese Bürgerinnen und Bürger ihre Interessen auf die Straße bringen können. Stellvertretend für all diese Menschen harren die Baumbesetzerinnen und Baumbesetzer seit Monaten in der Kälte aus. Natürlich gehört der Wald rein rechtlich den Investoren, aber eigentlich gehört er doch zu Flensburg und somit allen Menschen, die in dieser Stadt leben.
Eine Rodung im Februar wäre auch aus Artenschutzgründen problematisch, da nicht wirklich ausgeschlossen werden kann, dass in den Habitatbäumen nicht doch Fledermäuse leben. Weiterhin könnte eine von Ihnen angeordnete Räumung trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zur weiteren Ausbreitung der Virusmutation und somit zu weiteren Toten in der Stadt führen.
Ich habe auch nach dem Studium der Planungsentwürfe der Investoren, der Bebauungspläne und einiger anderer Gutachten noch ein paar Gedanken, einige Fragen und ein paar Anregungen, welche ich Ihnen im Folgenden kurz zusammengefasst habe. Ich freue mich aber auch sehr, wenn Sie Zeit haben, den langen Brief darunter zu lesen.
Der Bahnhofswald:
● stellt einen wichtigen Verdunstungsschutz und Kühlfunktion für die Innenstadt dar ● ist Heimat einer großen Artenvielfalt mitten im Stadtgebiet ● bindet CO2 und steigert die Lebensqualität
Durch den Hotelneubau kann der Bahnhofswald nach dem B-Plan nicht erhaltenwerden
● Durch den städtebaulichen Vertrag können Hotel und Parkhaus nur zusammen gebaut werden und der Waldstatus wird verloren gehen ● Nach dem Bebauungsplan bleiben nur ca. 18 Bäume im ehemaligen Wald stehen, die nicht die ökologische Funktion eines Waldes erfüllen können ● Die Zahl der tatsächlich gerodeten Bäume liegt allein in der Bahnhofsstraße bei über 200 und nicht nur insgesamt bei 64 ● Ca. 5.400 Ersatzpflanzungen wären nötig, um allein den Wert einer 100 Jahre alten Buche auszugleichen
Es gibt auch noch zahlreiche weitere Unsicherheiten:
● Was passiert, wenn dem Widerspruch des BUND gegen die Waldumwidmung stattgegeben wird? Wird dann nur das Hotel gebaut, was gemäß städtebaulichem Vertrag nicht möglich ist?● Sollten nicht erst Hanggutachten auf den Anliegergrundstücken durchgeführt werden? ● Wie sorgt ein Parkhaus in der Stadt dafür, die Zahl der Autos in der Stadt zu reduzieren, wenn Pendlerinnen durch die Stadt zum Parkhaus fahren müssen? ● Was passiert, wenn der Wald gerodet wird, das Hotel und Parkhaus aber nicht die erhofften Funktionen hinsichtlich Auslastung und Aufwertung des Bahnhofsumfeldes erfüllen? ● Droht dem Gelände dann ein gleiches Schicksal wie der Fläche der ehemaligen Luftschlossfabrik, die auch erst geräumt wurde und seitdem nichts geschehen ist? ● Wurde schon ausreichend über alternative Baugrundstücke nachgedacht, bevor der Wald unwiederbringlich verloren geht? ● Wie wollen Sie Ihre eigene Glaubwürdigkeit bei den Bürgerinnen der Stadt Flensburg erhalten?
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie weiterlesen.
Der Bahnhofswald mit seinen Rotbuchen und Ahornbäumen, dem Hermelin, vielen Wald- und Singvögeln, vier streng geschützten Fledermausarten und vielen anderen Tieren und Pflanzen stellt ein sehr wertvolles Refugium für Natur und Menschen gleichermaßen dar. Dieser zusammenhängende Wald leistet im ohnehin waldärmsten Bundesland Schleswig Holstein mit 11 % Waldanteil durch seinen Verdunstungsschutz einen wichtigen Beitrag für das Stadtklima und die hier lebenden Menschen. Dagegen hat das Technische Betriebszentrum nach eigenen Angaben aus Gründen der nicht mehr gewährleisteten Verkehrssicherheit im Jahr 2020 bereits 238 Bäume im Stadtgebiet fällen müssen und diese Zahl lag aufgrund des steigenden Klimastresses, unter dem die Bäume zu leiden haben, über der Zahl der Vorjahre.
Ich finde es sehr traurig, dass von seiten der Investoren und der Stadtverwaltung der Eindruck erweckt wird, dass die Natur sogar einen Vorteil aus der Rodung ziehen wird, da für jeden gefällten Baum 4 neue Bäume gepflanzt werden. Dabei wird aber auch aus ökonomischer Sicht ein großer Fehler begangen. Im Bahnhofswald stehen unter anderem Linden, die bereits 1880 gepflanzt wurden und weitere 80-100 Jahre alte Buchen. Eine hundert Jahre alte Buche hat einen ökologischen Gesamtwert ab 135.000 Euro aufwärts. Um diesen ökonomischen und ökologischen Wert zu erreichen, müsste man eine gefällte Buche nicht mit vier Neupflanzungen, sondern mit ca. 5400 neuen Buchen ausgleichen. (1)
Es braucht Jahrzehnte, bis sich in einer Ersatzpflanzung das gleiche Ökosystem entwickeln kann, wie es in einem intakten Ökosystem vorhanden ist. Diese Zeit haben wir aber aufgrund des Artenschwundes und des Klimawandels nicht mehr. Die Ausgleichspflanzungen liegen auch nicht im unmittelbaren Stadtbereich, womit sie keine direkte Wirkung auf das Stadtklima haben. In einem intakten Wald ist es wichtig, auch geschwächte Bäume stehen zu lassen, da das Totholz ökologisch besonders wertvoll ist und durch Ersatzpflanzungen nicht ersetzt werden kann. Weiterhin werden bei den Ausgleichspflanzungen nur Bäume berücksichtigt, welche in einem Meter Höhe einen Stammumfang von mehr als 80 cm haben und somit unter die Baumschutzsatzung fallen und überhaupt als Baum gezählt werden. Geschwächte Bäume werden ebenso nicht durch Ausgleichspflanzungen kompensiert und diese stellen mitten in einem nicht genutzten Wald auch keine Gefahr dar. Aus diesen Gründen liegt die Zahl der tatsächlich gerodeten Bäume nach Zählungen von mehreren Privatpersonen und Initiativen bei über 200 allein an der Bahnhofsstraße. Diese Zahl ist natürlich nicht offiziell, aber Sie können gerne in den Bahnhofswald kommen und sich davon überzeugen.
Aus diesem Grund bin ich von der Verwaltung der Stadt Flensburg sehr enttäuscht, dass trotz dieser Tatsachen die Baugenehmigung für das Hotel und das Parkhaus erteilt wurde. Als Stadt, die sich verpflichtet hat, bis 2050 klimaneutral zu werden, hat die Verwaltung damit ihr Vertrauen bei vielen Menschen aus Flensburg fast schon verspielt.
Mir ist bewusst, dass die Entscheidung auch mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen in der Stadt zusammenhängt. Aber soll nicht ein erheblicher Teil der Arbeitsplätze in dem bereits vorhandenen Postgebäude in neuen Büros entstehen? Weiterhin beruht die Aussage, dass in Flensburg ein neues Hotel gebaut werden soll, auf einem Gutachten zum Hotelbedarf aus dem Jahr 2013. Inzwischen sind aber bereits neue Hotels in der Stadt hinzugekommen, womit dieses Gutachten nicht mehr aussagekräftig ist. Kann es dann nicht sein, dass so keine neuen Arbeitsplätze durch das Hotel entstehen, sondern eher andere Hotels vom Markt verdrängt und die Arbeitsplätze nur verlagert werden? Letztlich finde ich es sowieso fraglich, ob der Standort zwischen dem Posthof, der Brauerei, dem Bahnhof und der Schleswiger Straße durch die Geruchs- und Lärmbelästigung für ein Mittelklassehotel überhaupt attraktiv ist und zukünftig entsprechend ausgelastet sein wird.
Die Planungen zur Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes begannen bereits vor über 6 Jahren und in diesen Planungen wurde die vorhandene Waldfläche und ihre Wirkung auf das Stadtklima nicht berücksichtigt. Der Waldanteil liegt in Flensburg je nach Quelle nur bei 6-10 %, wohingegen andere Städte ihren innerstädtischen Waldanteil sogar vergrößern. Flensburg ist durch seine Lage im Trogtal der weichseleiszeitlichen Jungmoränen im Osten und den Altmoränenzügen im Westen von der Frischluftversorgung durch den vorherrschenden Westwind teilweise abgeschnitten. Daher sind Frischluftschneisen wie das Gleisbachtal, welches ja auch bald bebaut werden soll, besonders wichtig. Durch die siebengeschossige Hotelbebauung, welche die Hauptpost überragen wird, ist die Frischluftversorgung der Stadt über diese Schneise möglicherweise behindert. Diese Frischluftschneise ist aber besonders wichtig, da andere Kerbtäler wie das Osbektal und das Lautrupsbachtal diese Funktion durch bestehende Bauwerke wie die Brücken der Bismarckstraße und der Osttangente nicht mehr im vollen Umfang erfüllen können und die Kaltluftabflüsse in der Nacht teilweise behindert werden. (2)
Weiterhin frage ich mich, warum die erforderlichen Untersuchungen zur Hangstabilität auf den Grundstücken der Anlieger noch nicht vorgenommen wurden. Der Zugang zu diesen ist auch trotz der Waldbesetzung möglich. Diese Grundstücke sind am meisten von einem instabilen Hang infolge der Bauarbeiten betroffen. Auch wenn nach dem Bebauungsplan nicht alle Bäume des Bahnhofswaldes direkt gerodet werden sollen und die Investoren eine Illusion von einem Hotel im Wald auf ihrer Hochglanzbroschüre bewerben, werden die umstehenden Bäume wahrscheinlich sehr stark unter den Baumaßnahmen leiden. Da durch die Genehmigung der Forstbehörde das Hotel die 30 m Grenze zum Baumbestand unterschreiten darf, kann man davon ausgehen, dass der Wurzelstock dieser Bäume sehr stark durch die Erdarbeiten beschädigt wird und die Bäume möglicherweise absterben könnten.
Nach Ihren eigenen Aussagen in der Videobotschaft vom 18.01.2021 ist die Baugenehmigung unabhängig vom Waldstatus und die Entwidmung des Waldes stehe nicht zur Rede. Dies stimmt allerdings nur so lange, bis der Widerspruch des BUND gegen die Waldumwandlung nicht gerichtlich abgewiesen wird. Weiterhin existiert ein städtebaulicher Vertrag zwischen der Stadt und den Investoren, laut dem der Bau des Hotels an die Erbauung des Parkhauses vertraglich gekoppelt ist. Hat diese Kopplung nicht zur Folge, dass der Waldstatus eben nicht erhalten werden kann, da durch den Bau des Parkhauses die 30 m Grenze nach dem Landesforstgesetz zum jetzigen Wald unterschritten wird und somit eine Waldumwandlung notwendig ist? Die Einsicht in diesen Vertrag wird vonseiten der Stadtplanung jedoch schon seit Dezember verwehrt und auch nach einer persönlichen Anfrage im Fachbereich Stadtentwicklung und Klimaschutz wurde mir die Auskunft erteilt, dass es eine vertragliche Vereinbarung gäbe, dass das Parkhaus später gebaut werden solle. Da dieses Parkhaus formell auch im öffentlichen Interesse zur Entlastung der Parkplatzsituation im Bahnhofsumfeld gebaut wird, sollte jeder Bürger nach dem Informationszugangsgesetz Einsicht in diesen Vertrag bekommen. Nach einer persönlichen Anfrage wurde mir mit dem Verweis auf eine laufende juristische Prüfung diese Einsicht jedoch versagt. Deshalb frage ich mich, warum die Stadt diesen Vertrag nicht zugänglich machen möchte.
Es gibt also noch viele rechtliche und bauliche Unsicherheiten, die dem Bau des Hotels und des Parkhauses im Wege stehen. Bevor man jetzt voreilig durch eine Waldrodung unwiederbringliche Tatsachen schafft, die Glaubwürdigkeit verspielt und am Ende durch unvorhergesehene Komplikationen eine weitere Brachfläche ohne gesellschaftlichen Nutzen in der Stadt schafft, sollte man eher über Alternativstandorte nachdenken. Sonst haben wir am Ende vielleicht die Situation wie bei der ehemaligen Luftschlossfabrik, bei der Simon Faber versprochen hatte, es sollen auf diesem Gelände Einrichtungen für die gesamtgesellschaftliche Nutzung entstehen, aber bis heute ist auf dieser Fläche immer noch nichts passiert. Dadurch hat sich der ehemalige Oberbürgermeister nicht wirklich beliebt gemacht, was letztlich vielleicht auch zu seiner deutlichen Abwahl beigetragen hat. Da ich Sie als Mensch wirklich schätze, würde ich mir nicht wünschen, dass auch Ihnen das passiert. Weiterhin ist dieses Thema bereits auch in der überregionalen Presse präsent und wenn es nicht so traurig wäre, könnte bestimmt auch bald eine deutschlandweite Satiresendung darüber berichten.
Nach offiziellen Angaben der Stadtverwaltung werden nur 64 Bäume gefällt. Im jetzigen Gebiet mit Waldstatus bleiben jedoch nach Punkt 6.9 im Bebauungsplan durch die erforderliche Waldumwidmung allerdings nur ca. 18 Bäume stehen, das komplette Unterholz und Totholz wird entfernt und vom eigentlichen Wald bleibt nichts mehr übrig. Das Bild von einem Hotel im Wald ist also eine Irreführung und der Wald würde seine eigentliche wertvolle biologische Funktion verlieren. Im Folgenden ein Zitat aus dem Bebauungsplan:
6.9.(…) „Innerhalb der mit der Nummer M1 und M2 gekennzeichneten Flächen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft sind zur Beseitigung der Waldeigenschaften der umgewandelten Waldflächen alle nicht zum Erhalt gekennzeichneten Gehölze zu entfernen. Neu aufkommender Gehölzaufwuchs muss regelmäßig entfernt werden.“ (Stadt Flensburg Bebauungsplan „Hauptpost“ (Nr. 303))
Warum wird dann in diesem Zusammenhang vonseiten der Investoren von einer selektiven Baumentnahme und nicht von einer selektiven Baumerhaltung gesprochen und warum stellen Sie das als Chefin der Unteren Naturschutzbehörde und der Stadtverwaltung nicht richtig?
Viele Flensburgerinnen und Flensburger, viele junge Leute und auch ich hatten eigentlich große Hoffnungen in Sie, dass Sie dazu beitragen, dass die Stadt Ihre Klimaziele erreichen wird und Flensburg sich an die künftigen Herausforderungen des Klimawandels anpassen kann. Wenn Ihnen die Zukunft der Fridays-for-Future-Generation so sehr am Herzen liegt und Sie sich öffentlich mit diesen solidarisieren, dann erwartet diese Generation aber auch von Ihnen, dass Sie trotz der bereits erteilten Baugenehmigung wahre Größe beweisen und alles dafür tun, für den geplanten Hotelbau ökologisch vertretbare Alternative zu finden und den ökologisch und ökonomisch bedeutenden Bahnhofswald für jetzige und zukünftige Generationen und für eine lebenswerte Stadt zu erhalten.
Die Aufwertung des Stadtgebietes gelingt eben nicht nur mit neuen Betonbauten, sondern auch durch urbane Naturräume und ein gesundes Stadtklima. Die Funktion eines Waldes für die Menschen in der Stadt lässt sich durch kein Geld ersetzen. Damit könnte Flensburg seiner Rolle als Klimastadt endlich ein Stück gerecht werden, Sie könnten sich einer breiten Zustimmung aus der Bevölkerung sicher sein und unsere Stadt vorbildlich in die richtige Richtung führen.
Ich glaube an Sie. Viele Grüße und bleiben Sie gesund, Florian Rostenbeck
1) Tiemeyer, V. & Thoren t.B., Vom Wert der Bäume, S. 31 Stiftung für Ornithologie und Naturschutz (SON)(o.J.)
2) Trüper T.& C. Gondesen, Landschaftsplan Flensburg, Teil I, Bestandsaufnahme und Bewertung, Büro TTG,(1997)
In einem Brief an die Flensburger Ratsfraktionen schreibt der gebürtige Flensburger Prof. Dr. Pierre Ibisch, deutscher Biologe und Professor für „Nature Conservation“ an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
Sehr geehrte Mitglieder der Ratsversammlung der Stadt Flensburg, sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe das Privileg gehabt, in meinem Leben bereits viele Wälder auf allen Kontinenten bereisen und erforschen zu können. Dazu gehörten vor allem die Wälder Amazoniens oder der südamerikanischen Anden, aber genauso auch boreale Wälder Russlands oder die europäischen Buchenurwälder. Es war mir bereits vergönnt, mich für Millionen Hektar umfassende Schutzgebiete einsetzen zu dürfen, ein grenzüberschreitendes Biosphärenreservat im Altai-Gebirge mitzubegründen oder Wäldern in verschiedenen Ländern Europas zum UNESCO-Weltnaturerbestatus zu verhelfen. In letzter Zeit habe ich mich mit Mitarbeiter*innen für die Erhaltung des Hambacher Forsts oder des Dannenröder Forsts eingesetzt, wir werben u.a. für die pflegliche Behandlung des ältesten Buchenwaldes Deutschlands, die Heiligen Hallen in Mecklenburg-Vorpommern oder des Leipziger Auwaldes. In ganz Deutschland treten wir für eine Waldwende ein und einen ökosystembasierten Umgang mit den geschädigten Waldflächen, die unter Klimawandel und einer intensiven Forstwirtschaft leiden.
So viele Wälder, unermessliche Werte, so viele Sorgen. Die große Ökosystemvergessenheit bewirkt, dass wir weltweit Wälder übernutzen, zerschneiden, zerstören und überbauen. Überall leiden Wälder, verbrennen, vertrocknen und kollabieren. Es geht um große Flächen, es geht um viel. Kommt es da auf ein paar Bäume mehr oder weniger noch an, wenn sie doch dem Bau von benötigter Infrastruktur, der wirtschaftlichen Entwicklung, dem menschlichen Fortschritt im Wege stehen? Zählen da die paar Bäume des Flensburger Bahnhofswaldes? Ich denke: Durchaus.
Letztlich sind es überall mehr oder weniger kleine lokale Entscheidungen: Hier müssen Bäume für einen Acker weichen oder für die Herstellung von Papier, dort müssen sie Platz machen für einen Tagebau, eine Autobahn, eine neue Tesla-Fabrik – oder eben ein Hotel. Die vielen kleinen Entscheidungen gegen die Natur und gegen die Wälder tragen zum beschleunigten und globalisierten Verlust der biologischen Vielfalt und der Regulationsfähigkeit unserer Biosphäre bei. Die vielen kleinen Scharmützel allüberall sind am Ende unser Krieg gegen die Natur und unsere Lebensgrundlagen. Das klingt pathetisch, und das ist es auch. Ich habe die Wälder der Erde erleben dürfen – in Süd- und Nordamerika, in Europa, Asien und Afrika. Und nur in wenigen Gebieten geht es den Wäldern gut.
Ich habe schon viele Wälder gesehen, aber der Flensburger Bahnhofswald gehörte zu meinen ersten, damals als meine Mutter mich im Kinderwagen an den Bäumen vorbeischob, die jetzt über ein halbes Jahrhundert älter geworden sind. Die Sorge um die Natur und die Wälder ließen mich von Flensburg aus aufbrechen, um Biologie zu studieren, auf Forschungsreisen zu gehen, Ökologe und Naturschützer zu werden. Dennoch und gerade deshalb berührt mich in besonderem Maße, wie meine Geburtsstadt Flensburg im waldärmsten Flächenland Deutschlands mit den kleinen Waldrelikten umgeht, die geblieben sind.
Es ist völlig richtig, anderswo – und ich war daran beteiligt – versucht man, Wald wieder aufzuforsten. Und es fällt sehr schwer. Es ist viel schwerer etwas gutzumachen, als etwas zu zerstören. Man bemüht sich um die Anlage kleiner neuer Gehölze, um der Natur zu helfen, und vor allem auch den Menschen. In den Städten schwillt derzeit der Diskurs zur ökosystembasierten Klimawandelanpassung an.
Wir selbst haben mit unserer Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde in Brandenburg ein Projekt der Deutschen Klimawandelanpassungsstrategie mit der Stadt Bernau bei Berlin durchgeführt. Dort ging es darum, gemeinsam mit der Stadtverwaltung und für und mit Bürger*innen zu erfassen, wie die Stadt zur Kühlung und Wasserrückhaltung beitragen kann. Wir konnten wissenschaftlich zeigen, wie Baumgruppen und kleine Gehölzinseln zur effektiven Kühlung der Stadt beitragen. Das ist nicht neuartig – weltweit gibt es entsprechende Studien und Bemühungen um naturbasierte Lösungen zu Verbesserung des Stadtklimas. Im Falle von Bernau hat sich die Stadt im Rahmen des Projektes zu einer Leuchtturmmaßnahme entschieden. Der Bürgermeister macht sich persönlich für die Idee stark. Just vor dem Bahnhof der Stadt soll der Vorplatz entsiegelt und begrünt werden. Er ist im Laufe der Zeit zu einem der heißesten Orte geworden. Nunmehr soll repariert werden, was zuvor zerstört wurde.
Ich wertschätze und unterstütze das Engagement der Flensburger*innen, die sich für den Bahnhofswald einsetzen und sich nun auch noch einmal mit einem Appell an Sie wenden.
Mir ist bewusst, dass die Planungen zur Bebauung des Grundstücks des Bahnhofswaldes weit fortgeschritten sind. Aber sicherlich wäre es eine souveräne Entscheidung, jetzt noch einmal alles auf den Prüfstand zu stellen und sich für eine ‚kleine‘ Grünfläche zu entscheiden und damit ein starkes Signal für die ökologische Stadtentwicklung auszusenden. Es wäre eine große Entscheidung für die Menschen Flensburgs – jene, die sich für die Erhaltung des Bahnhofswaldes einsetzen und Sie um diese Kulturtat bitten, und alle anderen, die sich am kleinen Bahnhofswald erfreuen werden. Aber auch für Menschen in der Zukunft, die hoffentlich erkennen werden, dass Sie nunmehr mit dieser Entscheidung eine Wende einleiteten.
Vor allem werden Sie sich für Leben in der Stadt entscheiden können, für lebende Organismen und für Arten, denen überall der Lebensraum schwindet.
„Kein Baum ist egal“: Besetzter Bahnhofswald in Flensburg – Foto: Jörg Pepmeyer
Ein offener Brief von Rebekka Marder von der Aktionsgruppe KLIMA Flensburg
Flensburg, 20.01.2021
Sehr geehrte Frau Lange,
zuerst möchte ich Ihnen ein Jahr 2021 wünschen, in dem Sie viel Gutes für Flensburgs Bürger und Bürgerinnen bewegen können.
Sie sind bestimmt sehr gefordert in dieser Coronazeit, und die Lage entspannt sich ja leider noch nicht wirklich.
Was mir aber zur Zeit am meisten auf der Seele brennt, das ist der Bahnhofswald.
Ganz klar distanziere ich mich von jeder Gewalt.
Natürlich ist es ein demokratischer Beschluss, dass der Wald einem Hotel samt Parkhaus weichen soll.
Leider wurden aber immer wieder Tatsachen ignoriert (Quelle, Einspruch vom BUND, Probebohrungen sind sinnvoll vor der Genehmigung…) und keine Einsicht gewährt. Jetzt gibt es plötzlich eine Ausnahmegenehmigung nur für den Hotelbau, damit es losgehen kann mit der Rodung. Warum gibt es Regeln, wenn dann, wenn es die Stadt möchte, Ausnahmen gemacht werden? Jede Ausnahme verringert Verständnis und Toleranz in der Bevölkerung.
Ich glaube, Sie müssen ständig einen Spagat zwischen Bürgerwohl und Investoreninteressen machen. Leider geht die Entscheidung oft zu Gunsten der Einzelinteressen reicher Investoren aus , da Sie Angst haben, diese zu verlieren.
Sie sind für alle Bürger verantwortlich! Handeln Sie gemeinwohlorientiert! Für alle Bürger ist es wichtig, dass gute klimatische Bedingungen in der Stadt sind.
Uns ist Gesundheit sehr wichtig. Deshalb halten wir uns selbstverständlich an alle Coronaregeln. Aber nach Corona ist ein innerstädtischer Wald weiter hilfreich für die Gesundheit von Menschen.
Da finde ich es komisch, wenn Sie Baumpflanzungen unterstützen und einen gewachsenen Wald in der Stadt fällen lassen für ein Parkhaus, das noch mehr Autos in das Bahnhofsviertel locken wird. Und wer sagt, dass nach Corona der Bedarf für ein weiteres Hotel besteht? Wenn es leer bleibt, gibt es auch keine Arbeitsplätze.
Ich bin mir sicher, dass dieser Beschluss korrigiert werden sollte. Dazu braucht es Mut, aber es wäre zum Wohl der Flensburger Bürger, Flensburgs Artenvielfalt und Flensburgs Klima!
Deshalb finde ich es auch legitim, gegen den Irrsinn mit Baumhäusern und Mahnwachen zu protestieren.
Ich hoffe auf Ihre Einsicht- bevor es zu spät ist!